Der sogenannte Isarspitz nördlich von Wolfratshausen markiert nicht nur die Mündung von der Loisach in die Isar, für uns Musikanten bedeutet es bei einer Floßfahrt vielmehr: Auf geht’s zur Brotzeitpolka! - denn kurz darauf werden die Flößer das schwerfällige Holzgefährt beim Ickinger Wehr ins ruhigere Fahrwasser des Isarkanals steuern, ideal für eine kleine Zwischenmahlzeit. Üblicherweise gibt es meistens an Leberkas, in da Semmi drin.
Als ich einmal das begehrte Scherzel erwischt hatte, begann ich genüsslich, es zärtlich mit kreisenden Bewegungen der oberen Semmelhälfte zu massieren. So wurde der süße Senf gleichmäßig darauf verteilt und es war sicher nicht zu übersehen, dass mir dabei langsam das Wasser bzw. Bier im Munde zusammenlief …
Ein Floßgast, der unverkennbar weit nördlich des Weißwurst- bzw. Leberkäsäquators beheimatet war, folgte den Bewegungen mit skeptischen Blicken. Nach einiger Zeit fragte er plötzlich in einem mitleidigen, fast überheblichen Ton, ob mir denn dieses „Zeug“ nicht langsam zum Halse heraushängen würde.
Oha!
Sofort stoppte ich mein Ritual, denn ein ganz empfindlicher Nerv war getroffen! Ich sah diesem Dilettanten tief ins Auge, verbarg dabei aber höflicherweise meinen Grant über diese respektlose Frage und überlegte mir erst einmal ganz in Ruhe die passende Antwort …
Wia konn ma nur so saudumm fragn?
An Leberkas gibt’s immer scho, aber er is hoit bescheiden und macht ned a so a Gschieß wia eppa de Weißwurscht. De is mittlerweile Kult, ein Folkloreartikel, an dem wirklich a jeder hizuzln muaß! Sogar Sterneköche hams aa scho im Repertoire und kreieren moi a Weißwurst-Carpaccio, moi an exotischn Salat oder die To-go-Variante aufm Pappadecklteller. Mei, wer’s mog, Hauptsach, die Königin der Wurscht dalebt ned as Zwölfeläutn, weil aso steht’s im Knigge für artgerechtn Verzehr.
Dem Leberkas is des wurscht, der schmeckt immer und überoi. In da Semmi drin hat ma sogar no a Hand frei, wenn’s grad waar.
Da foit ma mei junger Kollege am Schlagzeug ei, ein wahres Multitasking-Talent:
Bassdrum – Hihat – Snare – Leberkassemmi – und fei ois gleichzeitig!
Ma konn aber aa auf da oaner Seitn hochgeistige Literatur studiern und auf da andern bleibt ma damit geerdet, analog und bodenständig. Da is’ im Übrign aa wurscht, ob ma Rechts- oder Linkshänder is.
Und dann … da Geruch … wenn des Brat frisch ausm Ofa kimmt … da muaß ma oafach neibeißn, ob ma jetz Hunger hat oder ned, nur zwengs am Gusto. Es soi ja sogar Leit gebn, de se dazua extra ins Auto hockan, damit vo dera unvagleichlichn Duftwoikn aa ja nix valorn geht.
Und überhaupts – a jeda mog ’n, ob jung oder oid, Manderl oder Weiberl, durch alle Schichtn. Sogar Vegetarier machan ab und zua a Ausnahm, weil a Lebn so ganz ohne Leberkas … wer mog des scho? Und des moan i ned nur ernährungstechnisch, sondern vor allem philosophisch, quasi als Frage der Identität, denn dieses kleine Münchner Glück, lauwarm, eizwickt in da Semmi drin, is hoit doch a bisserl mehr als nur ein Schmankerl für den kleinen Hunger – aber des versteht dieser bedauernswerte Floßgast sowieso ois ned. Und weil mia Bayern dafür bekannt san, dass ma ned alle unsere Denkvorgänge preißgebn, sondern lediglich des Endergebnis, gibt’s auf so a Frag (von wegen diesem „Zeug“, das uns schon zum Halse hinaushängt!) net mehra zum sagn wia: „Nnaa“ – net, das ma no mei Leberkas koid werd!
Und bevor uns wieder moi oaner so saudumm fragt, spuin ma seitdem anstatt der Brotzeitpolka a Liad, des nach dera Gschicht entstanden is:
Die Welt is groß, die Welt is rund,
sie draht si schnell, is kunterbunt,
da muaß man naus, as Lebn gspürn
und deaf aa net z’vui Zeit valiern.
Ma fliagt zum Surfen bis auf Hawaii,
zur Trekkingtour muaß ma dann in d’ Mongolei
und im Fasching geht’s an’ Zuckerhuat,
da schmeckt da Caipi erst so richtig guat.
Doch oans, des geht ma nia valorn,
des is des Gschmacki von dahoam:
Ganz ohne Leberkas möcht i net lebn,
da kennts ma Hummerschwanz und Schampus gebn.
I brauch koan Sternekoch, koa „Haute Cuisine“,
i wui an Leberkas in da Semmi drin!
Und im Himmi drobn soids aa so sei,
ein Paradies mit Münchner Metzgerei.
Do daat’s dann allerweil a guade Brotzeit gebn,
weil ohne Leberkas möcht i net lebn.